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Ausdünnmaschinen, 10.03.2012

OPPENHEIMER TRAUBENBÜRSTE

Ein interessantes neues Verfahren zur Ertragsreduzierung stellt die Oppenheimer Traubenbürste dar, welche nun seit drei Jahren erprobt und weiterentwickelt wird.
Die manuelle Ertragsreduzierung ist sehr arbeits- und kostenintensiv und wird in der Regel nur in der Direktvermarktung im höheren Preissegment entsprechend entlohnt. In der Fassweinvermarktung können qualitätsorientierte weinbauliche Maßnahmen, z.B. im Rahmen von Qualitätsprojekten, zunehmend an Bedeutung gewinnen. Aus Sicht der Arbeitswirtschaft und der Kosten kommen hierfür aber vor allem nur schlagkräftige, vergleichsweise kostengünstige maschinelle Verfahren in Frage. Ein interessantes neues Verfahren zur Ertragsreduzierung stellt die Oppenheimer Traubenbürste dar, welche nun seit drei Jahren erprobt und weiterentwickelt wird.


Zur Oppenheimer Traubenbürste umgebaute Braun-Stockbürste im Einsatz.


Weich-PVC-Bindeschlauch als geeignetes Bürstenmaterial.
Von der Idee zur Praxis Vorbild für die Traubenbürste war ein Verfahren zur Fruchtausdünnung im Kernobstbau, bei dem an rotierenden Spindeln angebrachte Plastikfäden Blüten aus den Bäumen herausschlagen. Im Weinbau besteht jedoch das Problem, dass sich die Blüten oder jungen Trauben nicht an verholzten, sondern an grünen, sehr verletzungsempfindlichen Trieben befinden.
Es wurde eine Braun-Stockbürste an einen Front-Hubmast angebaut und die Originalbürsten abmontiert. Um ein Abschlagen von Trieben zu verhindern, wurde der Ölkreislauf umgekehrt, sodass die noch anzubringenden „Bürsten“ von unten nach oben durch die Traubenzone schlagen. Das Entscheidende an der Entwicklung ist das „Bürsten“-Material. Es muss eine möglichst geringe Triebverletzung, einen gewissen Ausdünnungseffekt und eine möglichst geringe Verschleißanfälligkeit gewährleisten. Zu hartes Material wie z.B. die Originalbürsten verursachen nicht zu tolerierende Triebverletzungen, zu weiches Material zu geringe Ausdünnungseffekte und in der Regel auch einen zu hohen Verschleiß. In einem bestimmten Weich-PVC-Bindeschlauch wurde ein akzeptables Material gefunden.
Da sich die Umrüstung vorhan dener Stammputzer zu einer Traubenbürste einfach gestaltet, erproben viele Winzer das Verfahren im eigenen Betrieb.
 

ERFAHRUNGEN

Was leistet die Traubenbürste?
In den Versuchen konnte mit dem Testgerät bei beidseitiger Arbeitsweise eine Ertragsminderung bis zu 50% und mehr erzielt werden. Die beträchtlichen Ertragsminderungen führten zu Mostgewichts steigerungen von bis zu etwa 10 °Oe. Die größten Effekte sind bei großtraubigen Sorten, wie Dornfelder, Portugieser, lockerbeerige Spätburgunderklone und Müller-Thurgau, zu erwarten.
Aber auch bei mittel- und kleintraubigen Sorten, wie Silvaner und Riesling, sind sehr gute Effekte zu erzielen. Die Traubenbürste ist somit in der Lage, die Ertragsleistung stärker herabzusetzen als es normalerweise die „aggressivste“ frühe maschinelle Entlaubung der Traubenzone (max. 35%) vermag.
Die Ausdünnung mit der Traubenbürste ermöglicht eine gleichzeitige Entblätterung, welche in vielen Fällen der Entblätterungsleistung von Entlaubern nicht oder kaum nachsteht. Bei weniger farbintensiven Rotweinsorten, wie z.B. dem Spätburgunder, führt die entblätternde und ertragsreduzierende Wirkung auch zu einer Farbintensivierung 
Das Herausschlagen einzelner Beeren oder Traubensegmente führt zu einer gewissen Auflockerung der Traubenstruktur 
Die Varianz im Auflockerungsgrad ist allerdings sehr groß. Je nach dem, wie stark die jeweiligen Trauben getroffen wurden, finden sich extrem stark aufgelockerte bis hin zu sehr kompakten (nicht getroffenen) Trauben. Die Trefferquote ist im Wesentlichen von der Höhe der Traubenzone (geringerer Arbeitsbereich als bei einem Entlauber) und der Traubengröße abhängig. 


Auflockerungseffekte bei gut mit der Traubenbürste erfassten Trauben: 


Riesling (links) und Spätburgunder (rechts).

Die Auflockerungseffekte und die Höhe der Ertragsreduzierung sind somit neben der Geräteeinstellung und der Fahrgeschwindigkeit auch von der Erziehungsart und der Rebsorte abhängig.
Die zusätzliche Entblätterung und die teilweise Auflockerung der Traubenstruktur wirken dem Botrytisbefall entgegen. Dennoch ist der botrytismindernde Effekt teilweise weniger intensiv und weniger zuverlässig ausgeprägt wie bei der maschinellen Entblätterung. In Einzelfällen lag der Botrytisbefall sogar etwas höher als in der Kontrolle. Erklären lässt sich dies durch eine deutlich erhöhte Reife und durch den verbleibenden Anteil kompakter Trauben, welche die Botrytisanfälligkeit erhöhen.
Schlägt der Bindeschlauch gegen die Triebe, kann dies zu Triebschädigungen durch Verletzungen der Epidermis und des Rindengewebes führen. Die Verletzungen fallen direkt nach der Maßnahme kaum auf. Mit zunehmendem Dickenwachstum und Verholzung der Triebe sind diese dann wesentlich deutlicher sichtbar. Solche Schäden treten aber fast ausschließlich an schräg wachsenden Trieben (wie z.B. Schnabeltriebe) auf. Gerade nach oben wachsende Triebe – dazu gehört in der Regel auch das Zielholz – bleiben dagegen weitgehend verschont, sodass die Schadwirkung insgesamt als sehr gering einzustufen ist. Bei sorgfältiger Heftarbeit mit aufrechter Triebanordnung kommen Verletzungen nur sehr selten vor.
 

EINSATZZEITPUNKT

Der günstigste Einsatzzeitpunkt ist - wie auch bei der Entblätterung - kurz nach der Blüte. Sind die Beeren nicht dicker als „Schrotkorngröße“, so werden die erfassten Traubenteile komplett abgeschlagen und es bleiben keine verletzten Traubenteile am Rebstock. Dies hat den Vorteil, dass man sich recht schnell ein Bild über den erreichten Ausdünnungsgrad machen kann. Geschädigte, im späteren Verlauf noch absterbende Traubenteile, wie sie bei der Vollernterausdünnung zum Stadium „Erbsendicke der Beeren“ vorkommen, gibt es nicht und müssen folglich auch nicht einkalkuliert werden.
Prinzipiell ist der Einsatz der Traubenbürste auch noch zu späteren Entwicklungsstadien möglich. Erreichen die Beeren eine Dicke von etwas mehr als Stecknadelkopfgröße, verbleiben bereits einige getroffene Beeren an der Traube, trocknen im weiteren Verlauf vollkommen ein und fallen zu Boden. Der Einsatz der Traubenbürste zum Stadium „Erbsendicke“ führt ebenfalls noch zu einer deutlichen Ertragsminderung. Die Traubenschädigungen sind hier sehr ähnlich wie bei einer Vollernterausdünnung. Während der Behandlung platzen viele Beeren auf, so dass es zum Spritzen von Saft kommt. Leicht geschädigte Beeren bleiben bis zur Ernte am Stock. 
 

DRAHTRAHMENGESTALTUNG

Da der Ausdünnungsbereich der Traubenbürste begrenzt ist, ist der Ausdünnungserfolg in hohem Maß von der Höhe der 
Traubenzone abhängig. Bei der Flachbogenerziehung werden mehr Trauben erfasst als bei der Halbbogenerziehung. Der Ausdünnungserfolg ist bei einer Halbbogenerziehung mit einem Biegedrahtabstand von 20 cm aber noch akzeptabel. Bei Rebanlagen mit einer außerordentlich breiten Traubenzone ist die Ausdünnungsquote allerdings stark begrenzt.
Ein weiterer Vorteil der Flachbogenerziehung liegt in der Tatsache, dass kein störender Draht mitten durch die Traubenzone verläuft. Schlagen die Bindeschläuche gegen einen quer verlaufenden Draht, werden diese einerseits abgelenkt, können nicht mehr voll durch die Traubenzone schlagen und erreichen so auch weniger die Zielobjekte, die Trauben. Andererseits können sich die Bindeschläuche peitschenartig um den Draht wickeln und abreißen oder gar den Draht bis auf die Welle der Traubenbürste ziehen. Letzteres ist vor allem bei Heftdrähten von Bedeutung, weshalb diese vor dem Traubenbürsten-Einsatz über die Traubenzone geheftet werden müssen. Wir arbeiten derzeit an einem Abweisersystem, welches störende Drähte auf Distanz hält.


Verletzungen an der Triebachse kommen fast ausschließlich an schräg wachsenden Trieben vor und sind von geringer Bedeutung.
 

MATERIAL UND BÜRSTENZAHL

Als geeignetes Bürstenmaterial haben wir bisher nur bestimmte Weich-PVCBindeschläuche gefunden (Ø 3 mm). Die Bindeschläuche sollten flexibel sein, um möglichst keine Verletzungen an den Trieben zu verursachen. Sie sollten eine ausreichende Wandstärke besitzen und somit eine ausreichende Masse aufweisen, um sich bei der Rotation nicht um die Welle zu wickeln und genügend Schlagkraft zu entwickeln. Eine gewisse Wandstärke und Elastizität wirkt sich auch günstig auf die Haltbarkeit der Bürsten aus. Ein dickerer Bindeschlauch des gleichen Materials (Ø 5 mm) ist etwas schlagkräftiger,
führt aber nicht zwangsläufig zu einer höheren Ausdünnungsquote. Vorteilhaft ist die erhöhte Schlagkraft nur bei dem späten Einsatztermin (Erbsendicke). Das Material ist sehr kostengünstig und nach dem Verschleiß (z.B. Abreißen, was von Zeit zu Zeit vorkommt) recht schnell an der Welle zu ersetzen.


Grafik 1: Einfluss verschiedener mechanischer Verfahren zur Ertragsreduzierung bei Spätburgunder auf Ertrag und Mostgewicht (links) und der Farbintensität des Weines (rechts) (nach BSA).

Auf der Welle von Rebstammputzern befinden sich meist vier Bürstenreihen mit jeweils etwa vier bis fünf Stationen pro Reihe zur Befestigung von Bindeschläuchen. Bestehen diese Stationen aus einer Art Öse, kann der Bindeschlauch sehr einfach mit einer Schlaufe an dieser befestigt werden, so dass jeweils zwei Schlauchenden mit einer Länge bis kurz vor der Schutzvorrichtung der Traubenbürste durch die Traubenzone schlagen. Wird die Traubenbürste anstatt nur mit zwei gegenüberliegenden, mit allen vier Bürstenreihen bestückt, so hat dies nicht zwangsläufig auch eine nennenswert erhöhte Ertragsreduzierung zur Folge. Eine erhöhte Bürstenzahl kann jedoch den Verschleiß oder gar ein Abreißen einzelner Bindeschläuche länger ausgleichen.
 

Einfluss des Einsatzzeitpunktes der Traubenbürste: links unmittelbar nach der Blüte, alle getroffenen Teile fallen ab. 


Rechts nach Schrotkorngröße: Verletzte Beeren trocknen noch ein und fallen dann später zu Boden.
 

STEUERUNG DER AUSDÜNNUNGSINTENSITÄT

Die Ausdünnungsintensität lässt sich vor allem durch die Fahrgeschwindigkeit, die Rotationsgeschwindigkeit der Bürsten und durch eine ein- oder beidseitige Arbeitsweise variieren. Um eine gleichmäßige Auflockerung zu erreichen, ist jedoch eine beidseitige Arbeitsweise vorzuziehen. Somit bleiben zur Steuerung der Ausdünnungsquote vor allem die Fahrgeschwindigkeit und die Drehzahl. Wird eine sortenabhängige Mindestbürstendrehzahl unterschritten, ist keinerlei Ausdünnungseffekt gegeben.


Grafik 2: Einfluss der Traubenbürste bei verschiedenen Fahrgeschwindigkeiten bei Silvaner auf Ertrag, Mostgewicht (links) und Botrytisbefall (rechts).
 

FAZIT

Die Oppenheimer Traubenbürste ist eine Neuentwicklung zur maschinellen Ertragsreduzierung. Es ist ein Gerät, welches in drei Jahren Versuchserfahrung sehr zuversichtliche Ergebnisse lieferte, aber noch optimierbar ist. Der technische Aufwand und somit auch der Kostenaufwand dieses Verfahrens sind vergleichsweise gering. Die Umrüstung vorhandener Stock- bzw. Stammbürsten zu einer Traubenbürste ist sehr einfach.
Mit der Traubenbürste steht eine schlagkräftige und kostengünstige Möglichkeit der Ertragsregulierung mit variabler Entfruchtungsrate zur Verfügung. Es ist deshalb ein Verfahren, welches von der Fassweinproduktion in gehobener Qualität bis hin zur Premiumproduktion in der Flaschenweinvermarktung Bedeutung erlangen könnte.

Medium


Obstbau Weinbau ist seit 1964 ein praxisorientiertes Fachmagazin des Südtiroler Beratungsrings für Obst- und Weinbau. Jährlich erscheinen 11 Ausgaben (Juli/August Doppelnummer) mit Fachartikel über Anbaumethoden, Versuche, Sorten, Forschungsergebnisse, Betriebswirtschaft, Statistiken, Züchtungsergebnisse, Pflanzenschutz, Vermarktung, Lagerung,  Studienreisen u.a. aus den Bereichen Obst-, Weinbau und Kellerwirtschaft.

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