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Frostschutz, 12.09.2017

Wirksame Methoden zur Abwehr von Spätfrostschäden

Durch die zunehmende Erwärmung unseres Klimas rücken der Austrieb und die Blüte der Obstgehölze im Jahresverlauf nach vorne. Dadurch steigt auch das Risiko, dass es zu Spätfrostschäden kommen kann. Die sich verschärfende wirtschaftliche Situation der Obstwirtschaft engt die Möglichkeiten zur Bildung von finanziellen Reserven ein. Aus diesem Grund sind Maßnahmen zur Risikominimierung notwendig. Dazu gehört neben der Ausstattung mit Hagelschutznetzen auch die Vorreitung von Frostschutzmaßnahmen, um Schäden durch Spätfröste abwehren zu können. Die Zeit drängt, rasche Planungen sind notwendig, um die entsprechenden Genehmigungsverfahren rechtzeitig abschließen zu können.
 

Windfrost -Strahlungsfrost

Grundsätzlich unterscheidet man Wind- und Strahlungsfröste. Beim Windfrost - auch Konvektionsfrost genannt - werden sehr kalte polare Luftmassen durch Wind herangeführt und die Wärme dadurch sehr schnell abgeführt. Die Lage des Obstgartens ist hinsichtlich der Schäden in diesem Fall nicht so bedeutend wie beim Strahlungsfrost; manchmal sind sogenannte „gute Lagen" sogar stärker betroffen.
Strahlungsfröste entstehen durch den Strahlungsaustausch mit dem wolkenlosen Himmel. Bei einer Bodentemperatur von 2 °C und einer Himmelstemperatur von -20 °C strahlen 85 Watt/m2 Energie zum unbedeckten Himmel. Je größer die abstrahlende Oberfläche ist, desto größer ist der Wärmeverlust. Kurz gemähtes Gras ist aus diesem Grund im Falle eines Blütenfrostes besonders wichtig. Dieser Wärmeaustausch mit dem Himmel wird im Sommer durch Taubildung und im Winter durch Raureifentstehung sichtbar. Beim Strahlungsfrost sammelt sich die kalte Luft in Mulden und Tälern, weshalb diese Lagen frostgefährdeter als Hügellagen sind. Am Talboden bilden sich im Falle von Strahlungsfrösten Kaltluftseen, die die Abkühlung fördern. Neben Talböden tritt stärkere Abkühlung auch in Mulden, neben Bahn- oder Straßendämmen und in der Nähe von Hecken oder Waldstreifen auf.

Grundsätzliche Überlegungen

Welche wirklich wirksamen Bekämpfungsmöglichkeiten stehen den Obstproduzenten zur Verfügung? Erprobte und verlässliche Wirkung haben die Frostberegnung, die Windmaschinen und die Frostheizungen. Allen Methoden ist gemein, dass sie nur bei Strahlungsfrösten gut einsetzbar sind.
Da wir in den Jahren 2016 und 2017 je nach Standort bis zu vier Frostnächte hatten, ist die wichtigste Frage, welche Flächen mit Frostbekämpfungsmöglichkeiten ausgestattet werden sollen. Bei der Frostberegnung ist es nicht sinnvoll die Gesamtfläche auszustatten, wenn in diesem Fall nur für zwei Nächte Wasser zur Verfügung steht. Man hätte mit einem nicht ausreichenden Wasservorrat für die Frostberegnung 2016 und 2017 die Ernte verloren. Wichtig ist es, dass man alle Frostnächte abwehren kann. Deshalb ist es besser, Teile der Gesamtobstfläche auszuwählen und diese ausreichend zu schützen. Im Extremfall können ungeeignete Muldenlagen aufgelassen werden und für die Errichtung eines Teiches verwendet werden: Qualität geht vor Quantität. Da sämtliche Frostbekämpfungsmöglichkeiten Kosten verursachen, sind diese Maßnahmen nur wirtschaftlich, wenn der Einsatz nicht allzu häufig erfolgen muss. Ein frostgefährdeter Standort ist trotz dieser Möglichkeiten nach wie vor für die Obstproduktion schlecht geeignet.
Ein in Frankreich gängiges Modell ist die Gründung von Frostbekämpfungsgenossenschaften, die den Mitgliedern viele Vorteile bringen. Beim Einsatz von Windmaschinen kann die Aufstellung optimal an das Gelände und die Dauerkulturflächen angepasst erfolgen. Auch für die Frostberegnung bringt dieses Modell Vorteile. Der Beregnungswasservorrat hält sich nämlich nicht an Grundstücksgrenzen, Genossenschaften können deshalb leichter ein ausreichend dimensioniertes Vorratsbecken errichten. Da dadurch auch größere Einheiten geschützt werden, können eine Verbilligung der Errichtungskosten und eine Verbesserung der Wirkung erreicht werden. In Gebieten mit ausgeprägter Realteilung ist die gemeinschaftliche Verwendung der Frostkerzen ein Muss, da es sonst Trittbrettfahrer gäbe, die von den Maßnahmen profitierten, aber keine Leistungen erbrächten.
 

Frostberegnung

Die Frostberegnung ist die beste Möglichkeit zur Frostbekämpfung. Sie ist weitgehend emissionsfrei und bei Strahlungsfrösten sehr effektiv. Für das dafür notwendige Wasser muss erforderlichenfalls unbedingt eine wasserrechtliche Bewilligung vorliegen.
Wie wirkt die Frostberegnung?
Durch das Gefrieren des Wassers werden 93 Wattstunden je Kilogramm an Energie frei. Mit derselben Wärmemenge ist es auch möglich, ein Kilogramm Wasser um 80 °C zu erwärmen. Für die Wärmemenge, die in einer Frostnacht je Hektar unter optimalen Bedingungen durch Frostberegnung gewonnen werden kann, müsste man etwa 3.000 Liter Heizöl verbrennen.
Unglaublich aber wahr! Denn wenn man von 10:00 Uhr abends bis 06:00 Uhr frühmorgens mit 4 Millimetern Niederschlag je Stunde frostberegnet, bringt man 320.000 Liter Wasser je Hektar aus. Multipliziert mit den 93 Wattstunden Erstarrungswärme (unter der Annahme, dass das gesamte Wasser gefriert) ergibt sich eine Heizleistung von 29.760 Kilowattstunden pro Hektar. Ein Kilogramm Heizöl hat einen Heizwert von 11,8 Kilowattstunden. Folglich benötigt man zur Erzeugung dieser Wärme 2.522 Kilogramm Heizöl. Wenn man die Kilogramm in Liter umrechnet (860 kg entsprechen 1.000 Litern bei 15 °C) ergeben sich exakt 2.933 Liter Heizölbedarf je Hektar, um diese Energiemenge freizusetzen.
Wichtig ist eine professionelle Planung der Anlage. Die Leitungssysteme sollten in der Erde verlegt und die Anfangs-, Verteilungs- und Endpunkte mit Beton fixiert werden. Die gleichmäßige Druckverteilung in der Anlage wird durch Verjüngung des Querschnittes in den Leitungen erreicht. An den tiefsten Punkten der Anlage sind Entwässerungsmöglichkeiten vorzusehen. Die Regner sollten im Dreiecksverband mit etwa 15 Metern Abstand (maximal 18 Meter) angeordnet sein. Wichtig bei den Regnern selbst sind eine glatte Oberfläche und eine hohe Schlagzahl je Umdrehung, damit sich an den Regnern kein Eis bilden kann.
Wenn die Anlage auch für Pflanzenschutzmaßnahmen genutzt werden soll, sind die Rohrleitungen in Form eines Doppel- oder Mehrfach-H-Systems auszuführen. Damit ist die Länge der Leitungen zu den einzelnen Regnern immer gleich und ist sichergestellt, dass beigefügte Pflanzenschutzmittel gleichmäßig ausgebracht werden. Speziell für Biobetriebe ist das eine interessante Möglichkeit.
Da die Verdunstungskälte 628 Wattstunden je Kilogramm Wasser beträgt, darf eine Frostberegnungsanlage niemals bei Windfrösten oder zu spät in Betrieb genommen werden. Ab einer Windgeschwindigkeit von 3 Metern pro Sekunde werden in Südtirol keine Frostberegnungsmaßnahmen mehr empfohlen.
Abhängig von der Luftfeuchtigkeit kann es notwendig sein, die Frostberegnung schon bei Temperaturen weit über 0 °C in Betrieb zu nehmen. Der Einschaltzeitpunkt wird in der Praxis oft unter Zuhilfenahme eines „Feuchtthermometers", welches im frostgefährdetsten Teil der Anlage in 70 Zentimeter Höhe montiert sein soll, festgelegt.

Thermische Kennzahlen von Wasser in Wattstunden
bzw. Kilokalorien je Kilogramm

Spezifische Wärme    1,163 Wh/kg    1 kcal/kg
Erstarrungswärme    93 Wh/kg       80 kcal/kg
Verdunstungskälte    628 Wh/kg    540 kcal/kg

 

Windmaschinen

Das Funktionsprinzip der Windmaschinen ist einfach zu erklären. Bei Strahlungsfrösten entsteht eine Luftschichtung und die kälteste Luft füllt zuerst die tiefsten Mulden der Anlage; es entsteht Frost in Bodennähe. Die Windmaschine saugt warme Luft, die sich über der Inversionsgrenze befindet an und verdrängt mit der wärmeren Luft die Kälte aus der Anlage. Die dafür notwendige Inversionsschichtung ist nur bis zu Windgeschwindigkeiten von unter 1,5 Metern pro Sekunde optimal nutzbar.
Stationäre Windmaschinen sind knapp über 10 Meter hoch und haben einen Propeller mit 6 Metern Durchmesser. Der Anstellwinkel liegt zwischen 2° bis 6° bei ebenen Flächen, der Rotorkopf dreht sich zirka alle vier Minuten um die eigene Achse. Der Weltmarktführer bietet einen sogenannten „dog-leg tower" an, der in Kombination mit der „contour gearbox" den Einsatz bis zu 12° Hangneigung möglich macht. Durch den im oberen Drittel gekröpften Mast und die Kontursteuerung kann die Drehung des Rotorkopfes besser an die Form nicht ebener Feldstücke angepasst werden. Mobile Windmaschinen haben eine Bauhöhe zwischen 5 und 7 Metern und dementsprechend kleineren Rotoren. Windmaschinen können auch mit einer Zusatzheizung ausgerüstet werden.
Die leistungsfähigsten stationären Windmaschinen können mit einem Luftstrom von über 30.000 m3 pro Minute maximal 7 Hektar schützen, wobei der Schutz in den Randzonen verfahrensbedingt geringer ausfällt; der nominelle Schutzradius liegt bei knapp über 150 Metern. Die großen stationären Anlagen werden von flüssiggasbetriebenen V10 Motoren mit 6,8 Liter Hubraum und 165 Kilowatt Leistung angetrieben. Der Gasvorratsbehälter soll für drei Tage Einsatz reichen, weshalb 2.500 Liter Tanks notwendig sind. Diese Tanks können von Energieversorgern für den notwendigen Zeitraum gemietet werden. Mobile Anlagen sind für eher kleinere Flächen ausgelegt und mit kleineren Antrieben ausgestattet.
Die Lärmbelastung neben der Maschine beträgt zwischen 101 und 122 Dezibel (dB), abhängig von der jeweiligen Drehzahl und der Frequenz. Am lautesten sind die Windmaschinen im Frequenzbereich bis 125 Hertz und zwischen 500 und 1.000 Hertz. In 100 Meter Entfernung werden noch immer 53 bis 74 dB gemessen; Gehörschäden treten bei länger-fristiger Einwirkung erst ab 85 dB auf. Da Windmaschinen nur sehr selten verwendet werden, müssten sie von Seiten der Behörde als Notmaßnahme analog zu den Notstromaggregaten gesehen werden. In Frankreich gibt es Frostabwehrgenossenschaften, die bis zu 100 Windmaschinen nach Plan aufgestellt haben, um ganze Gemeinden schützen zu können.

Frostheizung

Die Frostheizung ist eine alte und einfache Methode der Frostbekämpfung. Früher wurden Ölöfen, die die Luft extrem verschmutzten, verwendet. In den USA werden Gasbrenner, die zentral aufgedreht und vom Quad aus entzündet werden, installiert; diese Anlagen erhalten verständlicherweise nicht das CE-Prüfzeichen. In Europa werden deshalb paraffingefüllte Eimer mit einem sehr großen Docht entzündet und in der Anlage gleichmäßig verteilt.
Pro Hektar sollten 500 Paraffinkerzen vorbereitet werden. Abhängig von den gemessenen Minusgraden werden alle oder nur ein Teil der Heizquellen entzündet. Nach der Blüte müssen die Heizquellen wieder eingesammelt, palettiert und gelagert werden. Die Kerzen eines ungarischen Herstellers haben eine Brenndauer von bis zu 10 Stunden, erzeugen aber mehr Emissionen als die Kerzen eines französischen Herstellers, die zwar nicht solange brennen, dafür aber leichter zu handhaben und haltbarer sind.
Da die Frostheizung hohe Kosten verursacht, ist der Einsatz nur in Kombination mit einer Folienüberdachung oder Hagelnetz wirklich sinnvoll. In diesen Fällen müssen deutlich weniger Kerzen entzündet werden. Foliendächer können durch den Einsatz der Frostkerzen verrußen und dadurch weniger lichtdurchlässig werden.   

Zusammenfassung

In Abwägung aller Vor- und Nachteile der einzelnen Möglichkeiten zur Frostbekämpfung muss festgestellt werden, dass in einem Land mit hohen Umweltstandards die Frostberegnung bevorzugt in Erwägung gezogen werden sollte. Die dafür anfallenden Kosten hängen stark von der Wasserbeschaffung ab, da der bedeutendste Kostenfaktor in diesem Zusammenhang die Speicherteiche und die Motor-Pumpeneinheit sind. Die Rohrleitungen und Regner selbst schlagen sich inklusive Montage mit etwa 6.000,- bis 7.500,- Euro je Hektar zu Buche. Die Windmaschinen können wegen ihrer Spezifität und der Lärmemissionen ohnedies nur in ebenen und dünn besiedelten Gebieten zum Einsatz kommen; je nach Gelände und Antriebseinheit ist mit Kosten von 6.000,- bis 9.000,- Euro je Hektar zu rechnen. Eine Großmaschine, die für 7 Hektar reichen kann kostet in der Vollausstattung mit Kontursteuerung bis zu 65.000,- Euro. Frostheizungen kommen nur für überdachte, geschützte Kulturen oder Top-Weinlagen in Frage, da sich der Freilandeinsatz bei mehreren Frostnächten betriebswirtschaftlich nicht rechnen wird. Im Freiland sind Kosten von bis zu 650,- Euro je Betriebsstunde und Hektar (!) zu veranschlagen; im Optimalfall entstehen Kosten von 200,- Euro je Betriebsstunde und Hektar. Bei vielen anderen Methoden, die zur Frostbekämpfung angepriesen werden, konnte die Wirksamkeit bisher wissenschaftlich nicht abschließend beurteilt werden. Das Räuchern mit Stroh oder anderen organischen Materialien ist im Verhältnis zur eher bescheidenen Wirkung sehr umweltbelastend.


Ausgabe 2/2017
 

Medium


HAIDEGGER PERSPEKTIVEN

Abteilung 10 Land- und Forstwirtschaft
Versuchsstation Obst- und Weinbau Haidegg
Pflanzengesundheit und Spezialkulturen
www.haidegg.at

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